Olympische Spiele

Paris 2024: Interview mit Sportdirektor Thomas Abel und Cheftrainer Michel Gomez-Krämer

19.07.2024 09:30

Die Mannschaft der deutschen Sport- und Bogenschützen für die Olympischen Spiele in Paris und Chateauroux steht und ist extrem motiviert, in Frankreich Bestleistungen zu zeigen. Kurz vor Beginn der Spiele äußerten sich Sportdirektor Thomas Abel und Cheftrainer Michel Gomez-Krämer, die als Teilmannschaftsleiter Schieß- und Bogensport sowie Teilmannschaftsleiter Schießsport die Teams vor Ort begleiten, im Doppel-Interview.

Foto: DSB / Sportdirektor Thomas Abel (links) und Cheftrainer Michel Gomez-Krämer (rechts)
Foto: DSB / Sportdirektor Thomas Abel (links) und Cheftrainer Michel Gomez-Krämer (rechts)

Thomas Abel, Michel Gomez-Krämer, welche Eindrücke habt ihr zuletzt von den deutschen Sportlern gewonnen?
Thomas Abel: "Ich bin sehr zufrieden und freue mich, dass es so viele Sportler geschafft haben. Wir haben ein deutlich größeres Aufgebot als in Tokio, dort waren wir zwölf Sportler. Die Leistungsträger haben geliefert. Alle, denen wir es zugetraut haben, haben auch einen Quotenplatz gewonnen. Völlig überrascht hat uns kein Quotenplatzgewinn, aber dass Kathrin Murche bei Trap Frauen und Sven Korte bei Skeet Männer es geschafft haben, hat uns schon besonders gefreut."

Wie seht ihr die Entwicklung im deutschen Sport- und Bogenschießen?
Gomez-Krämer: "Die Bogen-Frauen sind Weltklasse, die Männer auf einem guten Weg. Wir haben mit der Schaffung eines weiteren Sportfördergruppenplatzes Weichen gestellt. Die Verbesserung über die letzten Jahre im Bereich Pistole hängt natürlich ganz entscheidend mit den Trainern zusammen. Das fängt mit Bärbel Georgi an, die den Unterbau schon bereitet und dies im Erwachsenenbereich vorangetrieben hat, und Claudia Verdicchio-Krause hat auch erst im Unterbau gearbeitet und setzt das jetzt auch weiter fort. Da sieht man die akribische, qualitativ hochwertige Arbeit der Bundestrainerinnen, und jetzt etabliert Jördis Grabe weiter den Nachwuchs."
Abel: "An der Entwicklung haben auch die Landesverbände ihren Anteil. Sie haben die Athleten so entwickelt, dass sie in den Nachwuchskader NK 1 gekommen sind. Dass diese Sportler internationale Anschlussleistungen geschafft haben, können sich die Trainer in den Verbänden wirklich auf die Fahne schreiben lassen. Dazu beigetragen hat die Leistungssportreform des DOSB, so dass es jetzt hauptamtliche Stützpunkttrainer gibt. In Zusammenarbeit mit den Nachwuchstrainern ist jetzt viel eher tägliche Arbeit möglich, und das macht sich auch bezahlt. In den Landesverbänden ist hoch qualifiziertes Potenzial. Wertvoll für uns als Spitzenverband sind natürlich Dinge wie Landesförderung und Landespolizei. Das zieht eine gestiegene Professionalisierung bei den Trainern und den Athleten nach sich. Wir waren in Tokio erstmals nur mit Profis am Start. Das gilt in diesem Jahr auch überwiegend.
Gomez-Krämer: Dies alles ist aber auch eng verknüpft im Bereich Pistole mit der Arbeit im leistungsdiagnostischen Bereich von Guido Rudolph. Seit dem Bau des neuen Bundesstützpunktes haben wir in dieser Hinsicht jetzt natürlich hier optimale Voraussetzungen. Die Leistungsdiagnostik ist ein ständiger Part des Trainings hier, um die kleinsten Stellschrauben zu justieren, um in der Weltspitze dabei zu sein."

Kommt die Austragung der Spiele im Sportschießen in Chateauroux und damit entfernt von Paris einer Herabsetzung der Disziplin gleich?
Abel: "Aus meiner Sicht absolut nicht. Es ist sicher für die Athleten ein bisschen schade, nicht am Hauptwettkampfort Paris zu sein. So werden sie das Olympische Flair, das Olympische Dorf nicht ganz so intensiv wahrnehmen wie sonst. Aber es gab schon immer Sportarten, die außerhalb stationiert waren, wie die Segler. Ich glaube, das ist eine Tendenz für künftige Spiele, dezentraler auszurichten, was ja in Bezug auf die Nachhaltigkeit Sinn macht. So baut man nicht irgendwo etwas hin, was nie wieder benutzt wird. So ist eine Nachnutzung gegeben, außerdem verteilt sich das Großereignis Olympia etwas."
Gomez-Krämer: "Zum Thema Flair kann ich Thomas nur zustimmen. Wir haben das ja beispielsweise schon bei den Europaspielen gehabt, die in Krakau stattfanden, während die Sportschützen in Breslau waren. Aber von Herabsetzung sollte man nicht sprechen. Das sind gesetzte Rahmenbedingungen. Wir wissen schon lange, dass wir in Chateauroux sind. Positiv ist für uns, dass wir unter uns sind, wir für uns das Olympische Flair haben, und am Ende bleibt ein Medaillengewinn einer der Olympischen Spiele 2024 in Paris."

Viele Schützen freuen sich auch, heraus zu sein aus dem olympischen Trubel. Kann sich das positiv auf die Leistungen auswirken?
Gomez-Krämer: "Für unsere Olympianeulinge ist es sicher von Vorteil, in der gewohnten „kleinen“ Blase zu sein. Aber natürlich wäre es für die Sportler in Paris spannender.
Abel: Es wird aber auch spannend sein: Was machen die Ausrichter, und was machen die Medien? Wenn die Übertragungszeiten so bleiben wie zuletzt, wird man Sportschießen in Deutschland wahrnehmen wie bisher. Die Sender werden von Sportart zu Sportart hin- und herschalten. Und dann wird es für die TV-Zuschauer keinen großen Unterschied machen."

Wird es für die Sportschützen möglich sein, noch einmal das komplette olympische Flair zu genießen?
Abel: "Es war uns vom DSB ganz wichtig, dass die Athleten noch einmal die Möglichkeit haben, während der Spiele nach Paris zu kommen, das Olympische Dorf, das Olympische Flair, das Deutsche Haus zu sehen. Dafür bekamen wir auch die klare Unterstützung des DOSB. Für unsere Sportler werden seitens des DOSB jetzt in Paris noch zwei Übernachtungen organisiert. Zwar nicht im Dorf, das ist nicht möglich, aber in Hotels, mit vollen Zugangsmöglichkeiten auch zum Dorf und der Chance, an der Schlussfeier teilzunehmen. Dann wird es sicher noch zu einem runden Erlebnis. Allerdings müssen die Schützen ihre Waffen aus rechtlichen Gründen nach Hause bringen, und das muss jeder selbst erledigen."

Ihr wart viel unterwegs! Wie liefen die letzten Tage der Vorbereitung?
Abel: „Wir haben uns beide auf die Fahne geschrieben, dass wir zu den jeweiligen unmittelbaren Wettkampfvorbereitungen fahren und insbesondere bei den Disziplingruppen, bei denen wir nicht Teilmannschaftsleiter sind. D.h. Michel war bei Bogen, ich war bei Gewehr, Pistole und Skeet – Trap habe ich leider nicht geschafft. Alle sind intensiv am Trainieren, dann kurz nach Hause und dann nach Paris.“

Ein Satz zu den TeamD-Klamotten?
Gomez-Krämer: „Das Feedback, das wir von Athleten und Trainern bekommen haben, ist: schön, funktional und von der Farbgebung her recht neutral.“
Abel: "Das passt alles. Adidas ist der Alleinausrüster, sodass die Einmarschkleidung sehr sportlich gehalten ist, während andere Nationen eleganter und schicker auftreten. Aber das ist für mich völlig in Ordnung, wurde nur von Athletenseite an mich herangetgragen."

Knapp drei Wochen vor Beginn der Spiele gab es die erfreuliche Mitteilung, dass die DSB-Schützen in Chateauroux im PESI, direkt neben dem Wettkampfgelände untergebracht sind. Deine Meinung, Michel?
Gomez-Krämer: „Das war schon im ersten Olympiavorbereitungsgespräch mit dem DOSB unsere erste Wahl gewesen. Wir wollten möglichst wettkampfnah untergebracht werden mit dem Vorteil der kurzen Wege. Es ist insgesamt eine Zeitersparnis, die man hat und angenehm, wenn man sich nach dem Essen aufs Zimmer zurückziehen kann. Im PESI werden nämlich alle Athleten versorgt. Der DOSB hat sich stark eingesetzt und mehrmals nachgehakt – wir sind froh, dass die Wahl darauf gefallen ist.“

Wie sieht jetzt der konkrete Anreiseplan für euch und die Sportlerinnen und Sportler der einzelnen Disziplinen aus?
Abel: „Ich reise am 20. Juli an. Am Montag, 22. Juli um 16.00 Uhr, findet das erste verpflichtende Bogen-Training statt. Dementsprechend haben wir den Reiseplan etwas umgestellt. Die Berliner Gruppe mit Florian Unruh, Charline Schwarz und Grit Reimann reist am Sonntag an, Oliver Haidn und Katharina Bauer kommen tags darauf im Verlaufe des Vormittags aus München, Michelle Kroppen und Reinhard Kisselbach fahren aus NRW mit dem Zug nach Paris.“
Gomez-Krämer: „Ich reise gemeinsam mit unserem Arzt Stephan Nolte am 21. Juli an, dann wird Lisa Jacobi vom DOSB schon vor Ort sein. Für die einzelnen Disziplingruppen sieht es so aus: Gewehr am 22. Juli mit dem Auto, Pistole am 23. Juli, am 25. kommt Trap, am 27. Skeet und am 31. Juli Schnellfeuer mit Florian Peter und Detlef Glenz als letzte Disziplingruppe (alle per Flieger). Christian Reitz ist ja bereits vorher da.“

Christian Reitz ist ein gutes Stichwort. Er ist einer der Kandidaten als Fahnenträger für die Eröffnungsfeier. Was sagt ihr dazu?
Abel: „Das ist eine Auszeichnung für Christian als Athlet für das, was er in den vergangenen Jahren geleistet hat. Es ist aber auch für den Deutschen Schützenbund und den Schießsport eine Auszeichnung, dass es wahrgenommen wird. Die Konkurrenz kommt aus sehr etablierten Sportarten mit einem NBA-Star und Weltmeister sowie einem Tennis-Profi und Olympiasieger, das ist ein sehr illustrer Kreis. Man muss aber ehrlich sagen, Christian ist Olympiasieger und Bronzemedaillengewinner und nimmt an seinen fünften Olympischen Spielen teil, das kann sonst keiner vorweisen. Und deswegen ist es sehr verdient, dass er auf der Liste steht und freut mich sehr für ihn.“

Wie sind die Ziele? Gibt es Vorgaben des DOSB?
Abel: "Es gibt keine Vorgabe. Wir haben allerdings immer mit dem DOSB abgeglichen, wo wir erfolgsversprechende Disziplinen haben. Ich denke, wir haben eine gute Medaillenchance im Bogenschießen. Es wäre sicher falsch, als amtierender Weltmeister bei den Frauen zu sagen, wir haben keine Chance. Wenn wir dazu zwei bis drei Medaillen in Chateauroux gewännen, wären es hervorragende Olympische Spiele. Wir gehen ja in viele Disziplinen mit unheimlich guten Vorerfolgen hinein. Ich weiß nicht, ob wir in den letzten Jahren kurz vor den Spielen so viele amtierende Welt- und Europameister hatten. Selbst wenn es nicht zu diesen Medaillenerfolgen käme, müsste man genauer hinschauen, wie es dazu kam. Das Abschneiden kann trotzdem erfolgreich sein – das waren etwa zwei fünfte Plätze von Christian Reitz in Tokio. Das sind herausragende Leistungen."
Gomez-Krämer: "Die öffentliche Wahrnehmung unterscheidet natürlich Schwarz und Weiß. Es haben sich intern überall unsere besten Athleten durchgesetzt. Das heißt im Umkehrschluss: Wenn sie in der Qualifikation ihr Leistungsvermögen abrufen, kann alles passieren. Jedenfalls haben alle das Ziel, dort ihre Topleistung abzurufen. Alle Sportler erfüllen das früher vom DOSB immer ausgegebene Kriterium „Endkampfchance“. Daher errangen alle Quotenplatzgewinner und Finalteilnehmer die Teilnahmeberechtigung an den nationalen Olympiaqualifikationen. Das hat sich erfüllt mit einer relativ jungen Mannschaft. Und darüber hinaus haben wir noch Sportler, die nicht zu Olympia fahren und dennoch zur Weltspitze gehören."

(Harald Strier/EB)

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